WW3 - wegen kurzfristiger Programmänderung "leider" abgesagt?



1. Sorgen in Poltava

Von den geschätzt 600'000 ausländischen Pflegekräften, die in der Bundesrepublik arbeiten, dürften gerade in der häuslichen Pflege mittlerweile sehr viele aus der Ukraine kommen. Dabei nutzen sie die visafreie Einreise, die die EU seit einigen Jahren den ukrainischen Staatsbürgern gewährt. Allerdings bedeutet das auch, dass der Aufenthalt auf jeweils 90 Tage begrenzt bleiben muss (was nun gerade in der häuslichen Pflege deutliche Probleme aufwirft, aber das wäre ein Thema für sich).

Wir können davon ausgehen, dass - ob nun als Pflege-, Reinigungs- oder sonstige Aushilfskräfte - Tausende ukrainischer Frauen für mehrmonatige Perioden in den "goldenen Westen" gekommen sind, denn die dort verdienten Euros erleichtern das Leben in der Heimat natürlich deutlich. Einige davon haben sicherlich auch deutsche Sprachkenntnisse erworben oder hatten sie schon vorher.

Stellen wir uns einmal eine solche "Pendelarbeiterin" mit guten Deutschkenntnissen vor, die den heimischen Presseerzeugnissen (aus vielleicht guten Gründen) misstraut und sich aus Deutschland immer die neuesten Ausgaben von SPIEGEL und ZEIT in ihre Heimatstadt Poltava *1 kommen lässt. Beim Studium dieser Presseorgane hätte sie in den letzten Monaten immer mehr den Eindruck gewinnen müssen, dass eine russische Invasion der Ukraine unmittelbar bevorstehe. Die vorläufige Kulmination dieser "der-Krieg-ist-nah"-Journalistik waren dabei die Ausgaben 04/2022.

Die ZEIT titelte "Was will Putin?" und bebilderte das mit einem vom Grafiker in wehrmachts-ähnlichem Outfit dargestellten Putin, während der SPIEGEL in seiner Bildcollage den ebenfalls finster dreinblickenden Putin scheinbar eine Panzerkolonne begutachtend darstellte, mit dem Titel "Wie weit geht Putin?".

Als umsichtige Hausfrau und Mutter hätte unsere Ukrainerin vielleicht angefangen, Lebensmittel zu horten und die Fenster mit Klebeband zu sichern, damit - wenn die ersten Granaten oder Bomben einschlagen - dieselben nicht als Splitterschauer in der Wohnung Mensch und Tier verletzen.

So vorbereitet, erreichen sie jetzt die neuesten Ausgaben (05/2022) dieser deutschen journalistischen "Flaggschiffe". Aber - Wunder oh Wunder - auf dem Cover keine Spur mehr vom "unmittelbar bevorstehenden" Krieg, stattdessen kümmert sich die ZEIT um die Nöte der christlichen Glaubensanhänger in Deutschland und titelt "Jetzt austreten?" (offenbar in Bezug zu den neuesten Missbrauchsmeldungen insbesondere aus der katholischen Kirche). Während der SPIEGEL unter dem Titel "Teurer Wohnen" den Klimaschutz als mögliche "Kostenfalle" entdeckt. Hätte unsere Beispiel-Ukrainerin nun auch noch den Fernseher eingeschaltet, so hätte sie dort ihren eigenen Präsidenten erklären hören können, dass die Lage zwar schon irgendwie ernst sei, aber auch nicht wirklich dringendes Handeln erfordere ("wir lassen keine Panzer durch die Städte fahren").

Nanu, denkt sich jetzt der deutsche Medienkonsument - ist der 3. Weltkrieg abgesagt worden, weil wir uns jetzt dringend über die Kosten von Dämmstoffen unterhalten müssen? Oder aber jeden kirchlichen Missbrauchsfall innerhalb der letzten 5 Jahrzehnte detailliert aufrollen müssen? Hätte es nicht wenigstens zu einer Schlagzeile in der Art "Russische Invasionstruppen wieder 50 km vorgerückt" *2 gereicht, damit wir unsere regelmässige Dosis Kriegsadrenalin nicht verpassen?



2. "Volle Unterstützung" - mit Hintertürchen

Was man aus den deutschen Mainstream-Medien ebenso erfahren konnte, war, dass die NATO und insbesondere die USA die "territoriale Integrität der Ukraine" unbedingt schützen wollten und für den Fall der so befürchteten russischen Invasion den "Agresssor" mit "allerhärtesten" Sanktionen überziehen wollten. So tönten Blinken, Truss, Stoltenberg, Baerbock und die ganzen treuen Transatlantiker. Allerdings - gerade die USA machten früh klar, dass sie auch bei einer "Invasion" keine eigenen Kampftruppen dorthin entsenden würden.

Da hätte sich unsere ukrainische Hausfrau schon die Frage stellen können, inwieweit es ihr und ihren Landsleuten geholfen hätte, wenn bei einer hypothetischen Invasion - während also Granaten etc. einschlagen - die USA endlich den Herren Putin und Lawrow den Badeurlaub in Florida verbieten oder die NordStream2-Pipeline endgültig versiegeln würden? Nicht ganz die "bedingungslose Solidarität", die einst ein Kanzler Schröder dem US-Präsidenten Bush versprochen hatte...

Währenddessen ringen in der BRD-Ampel-Regierung die Grünen Scharfmacher mit den noch Zögerlichen aus dem SPD-Lager: Soll man nun doch irgendwelche Waffen, am besten "Defensivwaffen" *3, an die Ukraine liefern, oder nicht? Als kleines "Bonbon" für die Falken-Fraktion hat man wenigstens schon einmal die Lieferung von 5000 Helmen beschlossen, was z.B. vom Kiewer Bürgermeister Klitschko nicht ohne Berechtigung "ein Witz" genannt wurde. Mehr nach dem Geschmack der Herrscher in Kiew wären die Panzerhaubitzen aus ehemaligen DDR-Beständen, die Estland gerne der Ukraine überlassen (oder verkaufen?) will. Hier zaudert die Regierung noch - verständlich, da doch ein schönes Nachfolgegeschäft mit Estland für den Ersatz der Waffen winken könnte.

Viel hin und her also, wobei ein Nachlesen im Kriegswaffenkontrollgesetz den Damen und Herren viel Kopfschmerzen ersparen könnte: Dort steht ganz deutlich, dass Waffenlieferungen in Krisengebiete VERBOTEN sind. Allerdings hatte ja auch Frau Merkel derartige Kleinlichkeiten beiseitegeschoben, als es um die Lieferung von Patroullienbooten an Saudi-Arabien ging, die dort zur Abriegelung des Jemen benutzt werden ("der vergessene Krieg", immer noch).

Übrigens habe ich die oben genannten 4 Ausgaben nicht gekauft und kann also nicht beurteilen, wieweit etwa in den Innenseiten der neueren Ausgaben dann doch noch die "Invasionsgefahr" ein Thema war. Zumindest auf der Webseite der ZEIT ist die Sache momentan ganz nach unten gerutscht. Die Tagesschau bleibt jedoch noch "bei der Stange" und unterlegt ihre Berichte über die Invasionsgefahr mit Bildern von Panzern bei einer Übung in Weissrussland (!) [29.1.]), oder behauptet, dass Russland "die Muskeln spielen lasse" mit Bildern eines einsamen Suchoi-Jets über Kaliningrad [30.1.], ohne darauf hinzuweisen, dass Kaliningrad a) russisches Gebiet und b) über 1000km von der Ukraine entfernt ist. Das wäre damit zu vergleichen, von Kriegsgefahr in Schweden zu sprechen, wenn routinemässig ein US-Kampfjet von der Spangdahlem Air Base in der Eifel abhebt...



3. Von MIC zu MIMIC

Während die deutsche Regierung also noch zögert, wie weit sie beim Eskalationsspiel "mitreizen" will, haben andere EU- und NATO-Partner-Staaten schon "nein danke" gesagt: Spanien und Kroatien würden sogar eher ihre NATO-Kontingente in der Region wieder abziehen (zumindest Kroatien). Der ungarische Premier Orban tut sogar das Unaussprechliche und findet auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Putin warme Worte für Russland, ja behauptet sogar frech, man könne Mitglied von EU und NATO sein und trotzdem gute Beziehungen zu Russland haben.

Ausser der Leerformel von der "territorialen Integrität der Ukraine" scheint der NATO-Block also beileibe keine Einigkeit gefunden zu haben. Das erklärt sich nicht nur aus den natürlicherweise sehr unterschiedlichen Interessenlagen der 27 Mitglieder, sonder auch daraus, dass es ja eigentlich gar keinen "casus" gibt - keine Invasion, keine Raketen- oder Bomben-Angriffe, nichts.

Trotzdem war das mediale Dauergewitter der letzten Wochen natürlich nicht ohne Zweck inszeniert, und selbst wenn man über das konkrete Nahziel (und ob es erreicht wurde) nur spekulieren kann, so sind die Nutzniesser dieselben, die schon vor Jahrzehnten der scheidende US-Präsident Eisenhower als militärisch-industriellen Komplex ("military industrial complex") identifiziert hatte. Allerdings sind aus den ehemals reinen US-Konzernen längst multinationale Unternehmen mit globalen Ambitionen geworden. Und es sind nicht mehr nur Militärs und Waffenhersteller, die u.a. über Drehtür-Personalpolitik engstens vernetzt sind, es sind auch die Geheimdienste sowie grosse Teile der Medien (nur als Beispiel CNN) zum Komplex dazugestossen, so dass man heute statt von MIC (military industrial complex) besser vom MIMIC (military industrial media and intelligence complex) sprechen sollte. Für die USA allein (und ohne die "media"-Komponente) kommt man auf über 1000 Milliarden US-Dollar, die an öffentlichen Geldern jährlich in diesen Bereich fliessen. Ob sich die USA (und die Welt) im 21.Jahrhundert diese gigantische Vergeudung von Ressourcen leisten können?



4. Die Invasion kommt - kommt nicht - läuft schon - oder doch nicht ...

Während also ZEIT und SPIEGEL eine Woche nach Ihren Putin-Titeln die Sache wesentlich tiefer hängten und mit den aktuellen Ausgaben mehr um den "Missbrauch" der Olympischen Spiele in oder durch China besorgt scheinen, hatten die Zuschauer des nicht unwichtigen US-Senders "Bloomberg TV" die zweifelhafte Ehre, am Morgen des 4. Februar sozusagen die Eröffnungsmeldung zum 3. Weltkrieg live auf Ihren Bildschirmen eingeblendet zu sehen: Als "breaking news" war dort "Russia invades Ukraine" zu lesen. Nach etwa einer halben Stunde war die Meldung wieder verschwunden, später erklärten Sprecher des Senders die Sache zu einem technischen Fehler: Aus Versehen sei eine von vielen "auf Vorrat" produzierten Meldungen eingespielt worden.

Wieso ein TV-Sender im 21.Jahrhundert eine aus 3 Wörtern (!) bestehende Meldung "vorproduzieren" muss, erschliesst sich dem etwas Medienkundigen zwar nicht. Nichtsdestotrotz hätte man sich bisschen mehr Aufmerksamkeit von einem TV-Sender, der nun gerade von vielen im US-Finanz- und Bankensystem Tätigen genutzt wird, schon erhofft. Was, wenn ein wieder einmal etwas verwirrter US-Präsident Biden beim Anblick der Meldung nach dem Einsatzkoffer mit den "Atomcodes" gerufen hätte?



5. "Hans im Glück"

Der ukrainische Präsident Selensky heisst mit Vornamen zwar nicht "Hans", sondern Wolodymyr, aber die medial inszenierte Krise war quasi ein "märchenhafter" Glücksfall für ihn. Reihenweise gaben sich hohe Regierungsvertreter des "Wertewestens" in Kiew die Klinke in die Hand (u.a. US-Blinken und BRD-Baerbock oder gar UK-Premierminister Johnson) und werteten den innenpolitisch arg unter Druck stehenden deutlich auf. Für das Militär konnte er reichlich frisches Material sichern, gespendet oder günstig von den "Speerspitzen" eben jenes Wertewestens (USA, UK, Kanada, Litauen...) geliefert. Ob des Waffensegens will er nun bald die ukrainische Armee um 100'000 Mann aufstocken, was bei einer Arbeitslosenquote von über 9% auch als Arbeitsbeschaffungs-Massnahme aufgefasst werden kann.

Wenn ihm auch weiterhin die Unterdrückung der nationalen medialen Opposition so gut gelingt wie bisher und die westlichen Medienvertreter weiter konsequent über die rassistischen und teilweise faschistischen Aspekte der ukrainischen Innenpolitik hinwegsehen, könnte ihm 2024 vielleicht sogar die Wiederwahl gelingen.

An den wahren Worten des geschassten Admirals Schönbach ("...die Krim ist weg") wird er zwar auch weiterhin nichts ändern können, aber er wäre nicht der erste Politiker, der mit der Aufrechterhaltung von Illusionen öffentliche Bestätigung generieren will.



6. "Pechmarie"

Die deutschen Medien geben sich zwar reichlich Mühe, den Start der neuen Aussenministerin Annalena Baerbock mit den freundlichsten Worten zu umhüllen, aber das darunter verborgene Nichts blitzt doch immer wieder hervor.

Zugegebenerweise, die Reise nach Moskau konnte eigentlich keine "Ergebnisse" zeitigen, da man ja von der dortigen Regierung die Beendigung von etwas verlangte, was es garnicht gab ("die Invasion"). Und an allerlei ulkige Versprecher der Ministerin hat sich das Publikum ja schon ein wenig gewöhnt, aber Sätze wie die folgenden auf der abschliessenden Pressekonferenz zum Thema RT-Zulassung muss man ja erst einmal zustandestolpern können:

"Ich kann nochmal unterstreichen, dass bei uns die Fresse...äh...Pressefreiheit bedeutet, dass es keiniche *4 staatliche Einmischung in den Bereich gibt. Wir haben eine klare Verfassung, die in Deutschland verbietet, dass es keinen staatlichen Rundfunk gibt, ob der Staat Deutschland, USA oder Russland heißt."

Selbst das vermutlich Gemeinte ("wir lassen keine staatsfinanzierten Sender in Deutschland zu") ist faktisch falsch, denn grossteilig oder vollständig staatsfinanzierte Sender wie BBC International oder France24 oder ARTE sind sehr wohl zugelassen, wie umgekehrt die "Deutsche Welle" ganz explizit die regierungsoffizielle Weltsicht in das Ausland tragen soll (und entsprechend jetzt - 4.2. - von Moskau symmetrischen Einschränkungen unterworfen wird).

Da Frau Baerbock eben auch bezüglich der Krise nichts Substantielles beizutragen hatte, kann man die Äusserungen des russischen Aussenministers auf besagter Presekonferenz nur als freundlich formulierte Bestätigung der Irrelevanz der deutschen Aussenministerin lesen - sowohl funktional (da die deutsche Aussenpolitik in dieser Sache nur als Wurmfortsatz der US-Regierung agiert) als auch personell.



Februar 2022



*1 Die Stadt Poltava habe ich deshalb als Beispiel genommen, weil dort schon im 2. Weltkrieg heftige Kämpfe stattfanden und dort vielleicht eine kollektive Erinnerung an diese Zeit gegeben ist.

*2 Auch die Zahl "50 km" ist mit Bedacht gewählt, denn innerhalb einer Woche kann diese Distanz ohne weiteres sogar zu Fuss zurückgelegt werden - da bräuchten die "Invasoren" noch nicht einmal LKW...

*3 Der Ausdruck "Defensivwaffen" ist bei militärischen Waffen wenig sinnvoll. Natürlich kann man verschiedenste Waffen defensiv nutzen. Einer Waffe einen prinzipiell defensiven Charakter zuschreiben zu wollen, ist aber schwierig bis unsinnig. So war eine der gefürchtetsten Waffen der NS-Wehrmacht als "Pak 8-8" bekannt, wobei "Pak" für Panzer-ABWEHR-Kanone" stand. Im übrigen wäre die Versorgung eines Konfliktstaates selbst mit hypothetisch "reinen Defensivwaffen" immer noch problematisch, weil es dem betreffenden Staat ja dann Mittel für die Beschaffung von Offensivwaffen freistellt.

*4 Nach dreimaligem Anhören scheint mir das die genaueste Verschriftlichung des Gesagten zu sein.


www.truthorconsequences.de