A
Am
Sonntag vor dem "Nationalfeiertag" (02.10.2016) bot der
Presseclub in der ARD ein Beispiel für jene journalistische
Qualität, derer sich die ARD so gerne selber rühmt: Es
ging - wieder einmal - um Syrien, und es waren vier journalistisch
tätige Personen eingeladen:
Sylke
Tempel von der Zeitschrift "Internationale Politik",
Kristin
Helberg als "Nahost-Expertin",
Kurt
Pelda als "Schweizer Kriegsreporter und Publizist",
Jürgen
Todenhöfer "Publizist"
sowie
Ellen Ehni von der ARD als Diskussionsleiterin.
Offensichtlich
war Herr Todenhöfer als Ausweis der Pluralität
eingeladen und sollte wohl die syrische Regierungsseite und/oder
die russische Sicht der Dinge repräsentieren. Da er erst
kürzlich aus Syrien mit einem spektakulären Interview
zurückgekehrt war, durfte er sogar beginnen. Aber seine
Ausführungen wurden schon bald durch die anderen
"Diskussionsteilnehmer" unterbrochen.
So
störte sich insbesondere Frau Tempel daran, dass Herr
Todenhöfer seinem Interviewpartner so einfach geglaubt hatte,
vom syrischen Arm der Al-Qaida zu sein. Wie konnte er das tun?
Ihrer Ansicht nach war das alles unglaubwürdig (vermutlich
hätte dieser Mann zuerst einen offiziellen
Al-Qaida-Mitgliedausweis vorweisen sollen, am besten mit der
Unterschrift bin Ladens persönlich?!?).
Die
Essenz dieses Interviews war gewesen, dass der Interviewte
behauptet hatte, seine Truppe würde indirekt und direkt von
den USA Waffen erhalten.
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Das
konnte so von den anderen Journalisten nicht stehen gelassen
werden. Schnell wurde die Rede auf die neuesten Meldungen aus
Syrien und Aleppo gebracht, die die Bunderegierung ja nun
hochoffiziell als Barbarei bezeichnet hat.
Beim
zerstörten Hilfskonvoi wusste Herr Pelda ganz genau,
dass die Russen diesen zerstört hatten. Frau Helberg wusste
ebenfalls ganz genau, dass 94% der zivilen Toten von der syrischen
Regierung oder von Russland zu verantworten seien. Auch die
üblichen und neuen Catchwords durften nicht fehlen: die
berüchtigten Fassbomben oder barrel bombs und auch die
bunkerbrechenden Bomben. Für all diese vermeintlichen
Kriegsverbrechen sind natürlich - wieder wahlweise oder
zusammen - die syrische Regierung und/oder Russland
verantwortlich. Und Herr Pelda konnte mit Sicherheit feststellen,
dass die weiträumigen Zerstörungen in Aleppo nur aus
der Luft - also von der syrischen Regierung oder Russland -
verursacht sein konnten, aber niemals von der Artillerie der
Rebellen. Herrn Todenhöfers zaghafte Versuche, da
gelegentlich entgegenstehende Fakten einzuwerfen, wurden von den
anderen - oft fast im Chor - abgeschmettert. Schliesslich (wieder
Frau Helberg): "Wir wissen genau, was in Syrien passiert!"
So
ergab sich die absurde Situation, dass die 4
"Mainstream"-Journalisten dem einzigen Anwesenden, der
in letzter Zeit tatsächlich in Syrien gewesen war (und der
wahrscheinlich als Einziger der Runde überhaupt einmal mit
leibhaftigen IS- und Al-Qaida-Kämpfern gesprochen hatte)
erklärten, wie es nun "wirklich" in Syrien zuginge.
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Als
Herr Todenhöfer meinte, dass "wir überhaupt keine
Rebellen in anderen Ländern zu unterstützen"
hätten, fuhr ihm Frau Helberg sofort dazwischen: "Wir
haben eine responsibility to protect!" (ob die englische
Wortwahl zufällig war?). Auch war ihr klar: "Man muss
diesen Saat vom Einfluss Assads befreien, bevor man diesen Staat
retten kann."
Es
wurden von den vier "Atlantikern" auch ein paar
eigenkritische Zugeständnisse gemacht: "Die
islamistischen Gruppen finden wir alle nicht so toll …"
(Frau Tempel) oder "Vielleicht haben alle Seiten
Kriegsverbrechen begangen" (Frau Ehni).
Herrn
Todenhöfers Hinweise auf ein Dokument der Defence
Intelligence Agency der USA, das verschiedene Optionen für
das Erreichen des Zieles "Assad-Entmachtung durchspielt,
wurden natürlich gleich abgeblockt: "Es gibt keinen Plan
für regime change seitens der USA" (Frau Helberg).
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Was
liest man auf der Webseite des ARD-Presseclub:
"Gleichzeitig
bemüht sich die Redaktion, mit der sorgfältigen Auswahl
der Gäste das Spektrum der relevanten Meinungen abzudecken."
Wenn
also hier 3 (oder 4, wenn man die Diskussionsleiterin mitzählt)
eigentlich die gleiche Meinung eben fast schon im Chor vertreten
und nur Herr Todenhöfer als mässig geduldeter Abweichler
anwesend war, dann muss nach Ansicht der ARD wohl einfach keine
andere Meinung "relevant" sein.
Nun
schrieb Barbara Tuchman einmal sinngemäss: "Niemand ist
sich seiner Ansichten so sicher wie derjenige, der keine Ahnung
vom Thema hat". Untersuchen wir also ein paar der Themen und
Vorfälle mit etwas Verstand und allgemein zugänglichen
Fakten.
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B
Nehmen
wir zuerst den zerstörten Hilfskonvoi: Die im TV dazu
gezeigten Bilder zeigten ausgebrannte, teilweise zerborstene Lkw.
Ohne
Zeifel wäre so etwas mit Kleinraketen etwa aus einem
Helikopter leicht anzurichten. Andererseits vermutlich ebensogut
mit einfachen Handgranaten, welche man z.B. auf die
Treibstofftanks legt (der Konvoi war zum fraglichen Zeitpunkt
geparkt). Hier ohne eine gründliche Untersuchung den forschen
Schluss zu ziehen, dass das "nur die Russen" gewesen
sein könnten, ist ohne Zweifel mehr als gewagt.
Wieso
überhaupt sollten die Russen so etwas Törichtes wie
einen Angriff auf einen allseits angekündigten Hilfskonvoi
unternehmen? Gewiss ist "Aushungern" schon seit der
Antike als Mittel des Krieges bekannt. Aber in einer Situation, wo
man die gegnerischen Stellungen auch direkt treffen kann, als
Kampftaktik eher absurd.
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Dann
die schon so häufig, auch von der Kanzlerin, mit höchstem
Abscheu erwähnten Fassbomben. Kaum jemals wird
erläutert, was Fassbomben nun eigentlich sind. Dabei ist das
recht einfach: Es sind improvisiert hergestellte Bomben, selten
wirklich mit einem Fass, sonder eher mit einem Rohr realisiert.
Dieses wird mit den gleichen "Ingredienzien" wie jede
"normale" Bombe auch gefüllt, also mit Sprengstoff
und mehr oder weniger Metallschrott, der bei der Explosion zu
einem tödlichen Projektilhagel führt. Für den
Unglücklichen, der sich am Aufschlagpunkt einer solchen Bombe
befindet, ist vermutlich kein Unterschied zwischen einer Fassbombe
und einer normalen Fliegerbombe mehr "erfahrbar". Der
Grund, warum einige Organisationen diese Art von Bomben geächtet
sehen wollen, liegt in der mangelnden Zielgenauigkeit, wenn diese
Bomben aus grosser Höhe abgeworfen werden, womit das Risiko,
"Nichtkombattanten" zu treffen, steigt. Andererseits:
Wenn sie aus geringer Höhe, etwa von einem Helikopter aus,
abgeworfen werden, können sie sogar zielgenauer sein als
konventionelle Fliegerbomben.
Insofern
also ein eher akademischer Streit darüber, ob man die Opfer
lieber von professionell oder improvisiert hergestellten Bomben
zerfetzt sehen will.
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Neuerdings
wird, meist mit demselben Empörungstremolo, von den
"bunkerbrechenden
Bomben"
berichtet, welche Russen und/oder Regierungsarmee nun in Aleppo
verwenden sollen.
Es
ist durchaus möglich, dass diese Bomben z.B. von der
russischen Luftwaffe eingesetzt werden, sie sind auf jeden Fall
Teil des russischen Arsenals (und des amerikanischen...). Eine
bunkerbrechende Bombe ist so konstruiert, dass sie mittels Form,
Gehäuseart, Zünder und Sprengstoffart tief in eine
möglicherweise meterdicke Betondecke eindringt oder sie sogar
durchdringt und erst dann, möglichst eben im
Bunker,
detoniert. Diese Technik ist aber sehr aufwändig, die Bomben
entsprechend teuer. Solche Bomben auf ein Wohnhaus oder auf eine
in einem Wohnhaus installierte Artilleriestellung abzuwerfen,
macht aber definitiv keinen
Sinn:
Anstelle die feindlichen Kämpfer (oder, wenn man es so sehen
will, die zivilen Bewohner) des Hauses zu töten, würde
so eine Bombe durch alle Decken durchschlagen und erst im Keller
oder im Erdreich darunter detonieren. So eine teure Waffe für
ein "ungehärtetes Ziel" einzusetzen wäre, im
Militärjargon formuliert, vollkommene Verschwendung. Wenn
Russland sie tatsächlich in Aleppo einsetzt, dann darf man
mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie auch nur für als
verbunkert angenomme Ziele Verwendung findet.
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Der
schweizerische Journalist im Team war sich absolut sicher, dass
die Zerstörungen in Aleppo "nur
von einer Luftwaffe"
angerichtet worden sein konnten. Auch wieder eine steile These von
jemandem, der ausweislich der Presseclub-Webseite als Ökonom
tätig ist.
Worin
liegt der Unterschied zwischen einer Artilleriegranate und einer
Fliegerbombe? Beide bestehen aus Metallhülle, Sprengstoff und
Zünder - im Moment der Detonation ist da entsprechend kein
wesentlicher Unterschied.
So
waren auch die allerersten Fliegerbomben nichts anderes als aus
dem Cockpit geworfene Granaten. In der Art der "Zieleinbringung"
gibt es wohl typischerweise Unterschiede: Die Fliegerbombe fällt
eben meist von oben, die Artilleriegranate meist in einer mehr
oder minder gekrümmten ballistischen Kurve auf das Ziel.
Wobei man aber auch Granaten "von oben" ins Ziel bringen
kann (Steilschuss) und Fliegerbomben fast von der Seite ("Stuka").
Insofern
ist ohne gründliche Untersuchung eines konkreten
Einschlagsortes kaum zu entscheiden, was da zur Zerstörung
eines Hauses geführt hat. Oder aber man hat glaubhafte
Augenzeugen für
die eine oder andere Art der Bombardierung. Nur an solchen
glaubhaften
Zeugen
mangelt es ja gerade im Syrienkonflikt.
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Damit
wären wir bei den Informationsquellen: Nach wie vor benutzen
ARD und ZDF vorzugsweise die "Syrische
Beobachtungsstelle für Menschenrechte"
als Hauptquelle, z.B. bezüglich Opferzahlen und eingesetzter
Waffen. Auch Jürgen Todenhöfer benutzte, allerdings mit
erkennbarem Vorbehalt, einige Zahlen dieser "Beobachtungsstelle".
Nun besteht diese "Beobachtungsstelle" aus genau
einem Exil-Syrer,
der in einem kleinen Häuschen bei London lebt und nach
eigenem Bekunden seit Jahren nicht mehr in Syrien war. Allerdings
habe er nach wie vor reichlich (vor allem elektronische) Kontakte
mit einem Netz von Informanten vor Ort. Wie gross dieses Netzwerk
allerdings ist, möchte der Herr (vielleicht aus guten Gründen
des Quellenschutzes) nicht mitteilen.
Es
ist durchaus möglich, dass dieser Mann tatsächlich recht
umfassend über die Lage in Syrien informiert ist. Es könnte
aber auch sein, dass er - zumindest partiell - auch Zweckmeldungen
erhält und verbreitet. Diese Quelle aber seitens ARD und ZDF
fast ausschliesslich zu benutzen und den etwas hochtrabenden Namen
auch nie mit dem doch ernüchternden Kontext zu versehen, ist
doch etwas nachlässig.
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Beim
Stichwort Kontext kommen wir zum Journalistenpanel der Sendung
selbst: Bei der Vorstellung der Damen wird mit keinem Wort
erwähnt, was nun z.B. Frau Helberg als Nahost-Expertin
qualifiziert. Noch interessanter wird es bei Frau Tempel, als
Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik"
vorgestellt. Auf der Presseclub-Webseite erfährt man
immerhin, dass sie u.a. an der Stanford-University in Kalifornien
lehre. Das liebe Internet weiss aber über den Herausgeber von
Frau Tempels Zeitschrift, die "Deutsche Gesellschaft für
auswärtige Politik", noch wesentlich Interessanteres:
Laut Wikipedia "versteht
[sie] sich als praxisorientierter Think Tank, der auf
wissenschaftlicher Basis nachfrageorientierte Politikberatung
anbietet. Sie finanziert sich über die Beiträge ihrer
Mitglieder, über eingeworbene Projektmittel und über
Zuwendungen von Sponsoren und Mäzenen, darunter unter anderem
das Auswärtige Amt, Deutsche Bank AG, EADS und die Robert
Bosch Stiftung GmbH".
Also
"nachfrageorientierte
Politikberatung"
(was immer das sein mag), gesponsort von der grössten
deutschen
Bank
und
dem grössten
deutsch-europäischen
Rüstungskonzern
EADS.
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Zusammengefasst:
Die ARD präsentiert uns da 45 Minuten lang eine Troika (oder
Quadriga) von mehr oder minder kompetenten Journalisten, und als
Alibi für Pluralismus wurde Herr Todenhöfer
eingeladen. Benutzt wurde er als Sparring-Partner für eine
chorgleiche Wiederholung dessen, was uns auch Tagesschau und Heute
schon seit Wochen und Monaten als "unparteiische"
Berichterstattung verkaufen.
Und
mindestens eine der Teilnehmerinnen ist alles andere als "neutrale
Beobachterin", sondern steht zumindest mittelbar im Dienst
einer Rüstungslobby mit vermutlich direktem Draht zum
Aussenamt.
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Wieso
müssen die Bundesbürger des Jahres 2016 sich überhaupt
mit so unangenehmen Sachen wie der Wirkung verschiedener
Bombentypen auseinandersetzen? Vor allem deshalb, weil die BRD
durch diese Bundesregierung, spätestens mit dem Einsatz der
Aufklärungsflugzeuge über Syrien, zur Kriegspartei
gemacht wurde. Und die "Begleitmusik" zu jedem
Kriegseinsatz, die Propaganda, wird uns eben - auch mit dieser
Presseclub-Sendung - mit zunehmender Insistenz "nahegebracht".
Die Wörter "Fassbombe" und "bunkerbrechende
Bombe" sind - in ständiger Wiederholung und ohne
Erläuterung der konkreten Eigenschaften - in diesem Sinne
Propagandainstrumente.
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C
Bezüglich
Bürgerkriegen sind sich die meisten Historiker einig,
dass sie zu den hässlichsten Konflikten überhaupt
zählen. Deutschland kann sich in diesem Falle glücklich
schätzen, dass der letzte "deutsche Bürgerkrieg"
nun schon rund 400 Jahre zurückliegt - als solchen könnte
man den 30-jährigen Krieg (1618-1648) zumindest auch
bezeichnen. In den USA dagegen liegt diese Erfahrung noch gar
nicht so lange zurück - 1861 bis 1865 tobte dort der
Bürgerkrieg. Und jener Abraham Lincoln, dem nicht nur ein
grosses Stein-Monument in Washington, sondern auch unzählige
Bücher, Filme und Zeitschriftenartikel gewidmet wurden und
der fast schon eine Art nationaler Heiligenfigur geworden
ist - jener US-Präsident liess beispielsweise seinen General
William Tecumseh Sherman einen langen Feldzug durch die Südstaaten
("March to the sea") durchführen, der mit seiner
gerade auch gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Gewalt
"beispielgebend" wurde: "We're not only fighting
armies, but a hostile people..." ("Wir bekämpfen
nicht nur Armeen, sondern ein feindliches Volk...")
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Heutzutage
würde man Shermans Methoden (die auch z.B. das Abbrennen von
Feldern oder die Zerstörung von zivilen Lebensmittellagern
beinhalteten) ganz sicher Kriegsverbrechen nennen, und Präsident
Lincoln ist sich dieser Methoden sicher bewusst gewesen. Trotz
dieses Feldzuges, trotz der Artillerie-Bombardierungen zahlreicher
Südstaaten-Städte (Atlanta z.B. war am Ende zu 90%
zerstört), ist Lincoln nicht als der Präsident in die
Geschichte eingegangen, der "sein eigenes Volk bombardierte".
Dieser Vorwurf ist nämlich im Kontext eines Bürgerkrieges
ziemlich sinnlos - natürlich bekämpfen die die
staatliche Einheit erhalten wollenden Parteien immer auch Teile
"ihres eigenen Volks", für dessen Gesamtheit zu
sprechen und zu handeln sie ja gerade beanspruchen.
Die
Begründung, die Lincoln für diese erbarmungslose
Kriegsführung fand, ist dieselbe, die Churchill für die
Nachtbombardements deutscher Städte fand, und dieselbe, die
Truman für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und
Nagasaki fand: Sie sollten den Krieg verkürzen.
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Das
Argument der Kriegsverkürzung ist nicht schon deshalb
wertlos, weil es ohne Zweifel auch oft missbraucht wurde *1.
Man
könnte sich z.B. vorstellen, dass sich die
"Weltöffentlichkeit" 1944 über die
Bombardierung der französischen Stadt Caen durch
allierte (also englische und amerikanische) Flugzeuge so erregte,
dass man den Abbruch der Einsätze oder eine "Flugverbotszone"
über Caen gefordert hätte. Aber das wäre de facto
eine Massnahme zugunsten der NS-Armee gewesen, die
allierten Invasionstruppen hätten von der Wehrmacht
zurückgedrängt oder mindestens isoliert werden können.
Dadurch hätte der Krieg durchaus entscheidend, vielleicht bis
in das Jahr 1946 hinein, verlängert werden können.
Caen
(und die zivilen Opfer dort) wurden also von allierter Seite in
Kauf genommen, weil die Invasion vom 6. Juni 1944 ein Erfolg
werden musste und dazu die Einnahme des Eisenbahnknotens Caen
eine wichtige, vielleicht unabdingbare Voraussetzung war.
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Und
das Mittel, dies zu erreichen, war natürlich der Einsatz der
einzigen Waffe, bei denen man den NS-Truppen klar überlegen
war, eben die Air Force.
Natürlich
waren die überlebenden Einwohner Caens über die nahezu
vollständige Zerstörung ihrer Stadt entsetzt. Aber auf
den absurden Gedanken, diese Zerstörung den
westlichen Allierten anzulasten,
ist wohl kaum einer gekommen. Zu eindeutig waren Ursache und
Wirkung, zu klar die Absicht, endlich die verhassten
Wehrmacht-Truppen aus Frankreich zu vertreiben.
Ob
die Angriffe auf das von "Rebellen" gehaltene Ost-Aleppo
als sinnvolle militärische Massnahme zur Verkürzung des
Krieges oder als unnötige Verlängerung desselben
betrachtet werden müssen, wird wohl erst in Jahren oder
Jahrzehnten rückblickend zu entscheiden sein.
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D
Herr
Todenhöfer hat in seiner kurzen Redezeit doch zwei Thesen
aufgestellt, über die nachzudenken sich lohnt:
1.
"Dieser Krieg ist militärisch nicht mehr zu beenden."
2.
"Der Konflikt kann nur auf politischem Weg durch die USA
und Russland gemeinsam gelöst werden."
Der
ersten These kann man auf technisch-militärischer Grundlage
vielleicht widersprechen. Schliesslich sind IS und Al-Qaida (oder
Al-Nusra) wohl bisweilen fanatisch kämpfende, aber
zahlenmässig überschaubare Gruppierungen. Wieviel
Rückhalt sie in der Bevölkerung haben (was, wie wir seit
Mao wissen, das entscheidende Element für eine in den
Untergrund abtauchende Kampfgruppe wäre), ist schwer absehbar
- nach den bisher befreiten Städten zu urteilen eher weniger.
Die vielzitierte "Freie Syrische Armee" müsste erst
noch zeigen, ob sie mehr ist als eine PR-Erfindung - auf keinen
Fall ist sie das, was sich der normale Europäer unter einer
"richtigen" Armee vorstellt. Gut einsehbar, dass sich
die russische Regierung zumindest momentan die militärische
"Option" offenhalten will. Und ganz folgerichtig, dass
sie eine (einseitige) Flugverbotszone ablehnt.
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Und
sicher wäre das syrische "Problem-Puzzle" einer
Lösung zugänglicher, wenn man wenigstens die extremsten
Dschihadisten "besiegen" oder dauerhaft isolieren
könnte.
In
dem Sinne, dass die Kämpfe in Syrien durch einen Teilsieg
gegen die eine oder andere "Rebellen"- oder
Dschihadisten-Gruppe nicht beendet wären, stimmt These 1 aber
schon. Und "der Westen" muss sich, wenn es ernsthaft zu
Fortschritten kommen soll, schon der Frage stellen, inwieweit die
eigenen Entscheidungen und Handlungen der letzten Jahre irgendwie
friedensstiftend waren.
Womit
wir bei These 2 sind: "nur durch USA und Russland
gemeinsam lösbar". Das ist m.E. richtig erkannt.
Beide Grossmächte gemeinsam hätten durchaus die Macht,
ihre jeweiligen Verbündeten an eine so kurze Leine zu legen,
dass Lieferungen von Waffen und Munition, aber auch illegaler
Export z.B. von Öl unterbunden oder mindestens drastisch
reduziert werden könnten. Und damit wäre der Krieg am
sichersten auszutrocknen.
So
eine Zusammenarbeit ist aber nicht dadurch herstellbar, dass man
den Partner beständig zur Aufgabe seiner Grundpositionen
drängen will - oder konkret: Russland wird die Regierung
Assad nicht zur "Aufgabe" zwingen (und kann es
vermutlich auch gar nicht). Mithin zwingend die Erkenntnis, die
der Kommentator des TIME-Magazine, Joe Klein, schon im
Dezember letzten Jahres hatte: "Assad must stay - for the
moment".
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Damit
war Mr. Klein aber gedanklich schon wesentlich weiter, als es
unsere ARD-Journalisten-Troika heute ist. Denn führen wir
deren Gedanken doch weiter: Es soll unbedingt eine Flugverbotszone
her, die nach Lage der Dinge momentan nur die syrische Regierung
und Russland einschränken würde. Den "Rebellen"
(jedweder Couleur) würde das die Neugruppierung und die
Verstärkung des Kampfes ermöglichen - definitiv kein
Friedenspfad. Und gegen Russland sollen weitere Sanktionen (je
mehr, je besser?) verhängt werden - offensichtlich kein Weg
zur Verbesserung der Kooperation.
Wobei
die Aussenminister beider Mächte - Kerry und Lawrow -
durchaus im Dialog waren und vielleicht auch bleiben wollten. Das
Verrückte ist nun, dass das Pentagon scheinbar bewusst die
Politik des eigenen Aussenministers konterkariert - anders
ist die "versehentliche" Bombardierung einer syrischen
Armeeeinheit kurz nach Verständigung auf den letzten
Waffenstillstand kaum zu verstehen.
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Und
zu den medialen Verrücktheiten im Falle Syriens gehört
auch, dass nun - nach über 5 Kriegsjahren - mit fast schon
hysterischer Stimme nach Flugverbotszonen, "humanitären
Korridoren" (was für ein irres Wort) und Abstrafungen
("Sanktionen") Russlands gerufen wird.
Wo
waren diese medialen Vorkämpfer für Humanität und
gegen Kriegsverbrechen, als die IS in die jetzt "berühmt"
gewordenen Frontstädte einzog? Kamen diese Kämpfer
vielleicht mit Blumen im Gewehrlauf - oder doch eher mit MP im
Anschlag und gezücktem Messer? Hätte man sich nicht
schon damals um "humanitäre Korridore" für
jene Einwohner bemühen sollen, die nicht unter IS-Herrschaft
leben wollten?
Und
waren die Bomben, die in den letzten 5 Jahren von
US-amerikanischen, britischen, französischen und türkischen
Flugzeugen abgeworfen wurden, wirklich so ultrapräzise, dass
ausschliesslich IS-Kämpfer getroffern wurden ?
Wieso
wurde damals nicht nach einer Flugverbotszone gerufen?
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Interessanterweise
ist es heute (rund 2 Wochen nach Ausstrahlung der
Presseclub-Sendung) in den Mainstream-Medien sehr still um die
Idee "Flugverbotszone"
geworden. Das mag damit zusammenhängen, dass in der
Zwischenzeit eine Menge nüchterner Beobachter darauf
hingewiesen haben, dass es mit der blossen Proklamation einer
solchen nicht getan ist. Will man so etwas umsetzen, muss man
nicht nur die Kampfflugzeuge der "anderen" abschiessen,
sondern auch dafür sorgen, dass die eigenen Maschinen
gefahrlos im beanspruchten Luftraum operieren können - also
muss man alle "feindlichen" Luftabwehrstellungen
bombardieren. Und Russland hatte gerade mit der Verlegung von
Luftabwehrsystemen allerneuesten Typs nach Syrien demonstriert,
dass man die eigenen Flugzeuge nicht ohne Gegenwehr würde
abschiessen lassen.
Oder
anders ausgedrückt: Eine solche Zone hätte direkte
kriegerische Handlungen der US- oder anderer NATO-Luftwaffen
gegen russische Flugzeuge und Militärposten bedeutet.
Erstaunlich, wie leichtfertig da nicht nur die "pro-westlichen"
Journalisten des Presseclub-Panels etwas propagieren, das leicht
zum dritten Weltkrieg führen könnte.
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Wäre
denn die Erfüllung der jahrelangen US-Forderung "Assad
must go", die ja gerade Frau Helberg mit Nachdruck wiederholt
hatte, zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt denkbar?
Machen
wir die Spekulation:
Assad tritt zurück und geht, am besten mit dem gesamten
Führungspersonal von Regierung und Baath-Partei, ins Exil.
Würden dann am nächsten Tag alle Syrer freudestrahlend
das Ende des Krieges feiern und eine Regierung der nationalen
Solidarität aufbauen?
Das
wäre gleichbedeutend mit einem Wunder - die (bis zu tausend)
verschiedenen bewaffneten Gruppen, die momentan auf syrischem
Boden kämpfen, haben sich ja noch nicht einmal auf das
Minimium einer erfolgreichen Militär-"Opposition",
ein vereintes Oberkommando, verständigen können. Es ist
ja auch bezeichnend, dass in all den Jahren nie eine Figur oder
Gruppierung vor den Mikrofonen der internationalen Presse
erschienen ist, die einigermassen kohärent eine Politik für
ein "post-Assad-Syrien" hätte darlegen können.
Alle
bisherige Erfahrung legt nahe, dass in einem Syrien ohne
Assad-Regierung eine ähnliche Staats-Auflösung wie in
Afghanistan oder im Irak zu beobachten wäre. Und für
einige Gruppen (die Jesiden, die Christen, die Alewiten...) würde
wohl konkrete Genozid-Gefahr bestehen.
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E
Klarer
Fall: Wo heute Bomben der syrischen Armee oder Russlands
einschlagen, kommen Menschen um - Dschihadisten der einen oder
anderen Sorte (die übrigens trotz allem auch Menschen
sind), aber auch (hoffentlich wenige) Zivilisten und sicher
auch gelegentlich Kinder. Das ist sehr traurig, aber vermutlich in
keinem Krieg zu verhindern.
Der
Unterschied zwischen den Bombenaktionen der USA und Ihrer Partner
und der kombinierten Boden- und Luftoffensive Russlands mit der
syrischen Armee ist eben, dass letztere kombiniert
ist
und tatsächlich Städte und Regionen aus der Gewalt von
IS und al-Nusra befreit - etwas, was der "Freien Syrischen
Armee" trotz expliziter Unterstützung durch die USA nie
gelungen ist (ebensowenig wie der Sturz der Assad-Regierung, was
vielleicht ohnehin das Hauptziel gewesen war).
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Die
Bundesregierung hat die BRD (eigentlich ohne Not) zur
Kriegspartei in Syrien gemacht. Dann müssten wir von der
Regierung auch erfahren dürfen, welches Ziel denn die
beharrliche Ausweitung des militärischen "Engagements"
haben soll:
-
Will die Regierung in Syrien ein neuerrichtetes Kalifat mit
irrsinnigen IS-Fanatikern an der Spitze errichtet sehen?
-
Oder aber eine Vasallenregierung einer autokratisch geführten
Türkei?
-
Oder hat sie ein Wunder-Rezept, um dort eine Demokratie im
"westlichen" Sinne zu errichten?
Man
könnte aber auch den Eindruck haben, dass es um ein
"irgendwie dabeisein" geht und das Absinken eines
weiteren Nahost-Staates in einen Dauer-Bürgerkrieg zumindest
in Kauf genommen wird. Dann müsste die Bundesregierung aber
auch die (teilweise) Verantwortung für ein "afghanisiertes"
Syrien als perfektes Ausbildungslager und Inspirationszentrum für
dschihadistische Attentäter aller Art übernehmen.
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Ein
Leser dieser Website hat, in einem Versuch, die Parallelität
von "westlicher" humanitärer Hilfe für Syrien
(über UNHCR, EU etc.) mit der langjährigen Bombardierung
Syriens durch die US-Regierung unter einen Hut zu bringen,
folgende schöne Formulierung gefunden: die US-Bomben seien
sozusagen eine "extreme Inkarnation westlichen
Pluralismus".
Das
bringt mich zur Vermutung, was denn nun das wirkliche Versagen,
das unentschuldbare Vergehen Jürgen Todenhöfers in den
Augen der vier Kollegen vom "Presseclub" ist:
Er
hat einfach nicht begriffen, dass es "gute" Bomben gibt
- auf denen steht "made
and used by the US and it's allies"
- und schlechte Bomben - auf denen steht natürlich "used
by evil Putin and his thugs".
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Und
während die "guten" Bomben nur Frieden, Freiheit
und Wohlstand bringen, bringen die "bösen" Bomben
zielgenau kleine Kinder, Samariter und Mütter um.
Wir
müssten wohl nur dafür sorgen, dass diesen fundamentalen
Unterschied auch endlich jene Leute kapieren, die sich am anderen
Ende der Fallkurve dieser Sprengmittel befinden.
Vielleicht
sollten wir einfach diese (selbsternannten?) ARD-Nahost-Experten
aus dieser TV-Runde für ein paar Monate in den jeweiligen
Kampfzonen absetzen, damit sie auch den Syrern die wahre Natur der
Bomben und überhaupt ihres Bürgerkriegs erklären
könnten (Sarkasmus aus).
(Oktober
2016)
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*1
So hat z.B. schon Robert Jungk darauf hingewiesen, dass die
Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki möglicherweise
mehr durch den Versuch, die aufstrebende Weltmacht Sowjetunion
einzuschüchtern, als durch militärische Notwendigkeit
gegenüber der zusammenbrechenden japanischen
Kriegsmaschinerie motiviert waren.
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Erster Nachtrag
1.11.2016:
Meine
satirische Zuspitzung und Unterscheidung in "gute" und
"schlechte" Bomben ist in den letzten Wochen, als die
US-geführte Militäraktion zur Befreiung Mossuls anlief,
sozusagen zur "Medienwirklichkeit" in ARD und ZDF
geworden.
Während
man uns die Bomben und Granaten auf Ost-Aleppo meist in der Form
von panischen Zivilisten, blutüberströmten Opfern und
heldenhaft Menschen aus Schuttbergen ziehenden "Weisshelmen"
präsentierte, gerinnen die US-Luftangriffe zu kleinen
Rauchwölkchen am Horizont einer in der Totalen aufgenommenen
irakischen Wüstenlandschaft. Im Begleitton ist meist nur von
"Luftunterstützung" die Rede, und darunter kann man
sich ja, wenn man unbedingt will, auch anderes als Bomben und
Raketen vorstellen - vielleicht Abwurf von Flugblättern?
Durch diese Art der Darstellung lässt sich der bundesdeutsche
Durchschnittszuschauer zur Duldung oder innerlichen Zustimmung zu
diesen Operationen gewinnen. Über die hässliche Seite
dieses Kampfes mit den unvermeidlichen Toten und Verstümmelten
(allerdings diesmal durch US-HighTech-Bomben) muss und will er ja
garnichts erfahren.
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Meine
Frage nach der Zielen der "westlichen Koalition" hat
unsere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen heute in einem
Interview
auf France24 zumindest
teilweise beantwortet. Wie auch schon von anderen Stellen
verlautbart, gehe es darum, die "DAESH"- oder IS-Kämpfer
aus Mossul zu
vertreiben (das
erscheint auch insofern als schlüssig, als der Angriff auf
Mossul wohl von Norden, Osten und Süden erfolgt - aber nicht
aus Westen).
Somit bleibt den IS-Kämpfern der Weg nach Westen (Syrien)
oder Nordwesten (Türkei). Und Frau von der Leyen gab auch
offen zu, dass sie erwartet, dass ein Grossteil der IS-Kämpfer
sich nach Raqqa in Syrien aufmachen wird - und dass ein anderer
Teil wohl nach Europa (zurück-)kehren wird.
Stellen
wir uns einmal vor,
dass Feldmarschall Montgomery seinem Vorgesetzten Winston
Churchill 1944 über das Ziel der Normandie-Invasion erklärt
hätte, es gehe darum, die NS-Truppen aus Nordfrankreich nach
Belgien zu
vertreiben -
was die Wehrmacht dann dort treibe, interessiere ihn nicht so
sehr.
Oder
wenn General Douglas MacArthur seinem Präsidenten Franklin D.
Roosevelt erklärt hätte, er wolle die japanischen
Truppen von den Philippinen nur
vertreiben -
was sie dann auf dem chinesischen Festland oder sonstwo treiben
würden, sei nicht so wichtig.
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In
jenen Zeiten, als Politiker und Militärs den Krieg wohl noch
ernster nahmen, wären solche Aussagen wohl mit der sofortigen
Absetzung der betreffenden Personen beantwortet worden.
Denn
wenn man mit dem allerernstesten
politischen
Mittel einmal angefangen hatte, dann musste es darum gehen, den
Feind zu
besiegen und
nicht einfach zu vertreiben wie einen lästigen Mückenschwarm.
Man musste also Schlachten schlagen, um die feindlichen Soldaten
entweder zu dezimieren (=töten oder verwunden) oder zur
Kapitulation zu zwingen (=Gefangennahme). Und wenn der Feind
besiegt war, also selbst die Niederlage erkannt hatte, konnte man
schliesslich auch zu Friedensverhandlungen kommen.
Im
21. Jahrhundert scheint das nicht mehr zu gelten - da ist man
zufrieden, wenn man den Gegner (?) einfach in eine andere Ecke
treibt. Ob der Krieg dann 3, 13 oder 30 Jahre dauert, erscheint
dann offenbar nebensächlich - Hauptsache, er findet im
Wesentlichen in Gebieten der "anderen" (Nahost,
Afrika...) statt.
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Und
was soll man von einer deutschen Verteidigungsministerin halten,
die sich im obengenannten Interview wortreich für eine
"europäische" Verteidigungs- und Sicherheitspolitik
stark macht und den Willen der Bundesregierung betont,
"Verantwortung zu übernehmen", aber auch ohne
Wimpernzucken erklärt, dass die konkret ausgeführte
Strategie Terroristen nach Europa zurückdrängen wird.
Macht so eine Politikerin Deutschland sicherer - oder ist sie eher
Teil der Bedrohung?
(November
2016)
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Zweiter
Nachtrag Oktober 2017: Tod im Sturm
Im
SPIEGEL Nr. 42/2017 fand sich unter der Rubrik Nachrufe die
Mitteilung, dass die obengenannte Sylke
Tempel am
5.Oktober 2017 infolge eines Unfalls verstorben sei.
Tatsächlich
fanden sich zumindest in den Online-Ausgaben von über 10
überregionalen Zeitungen ebenfalls teils umfangreiche
Nachrufe auf Frau Tempel. Danach hatte sie am Abend des 5 Oktober,
als der Sturm Xavier über den Norden Deutschlands hinwegzog,
den Heimweg von einer Abendveranstaltung des Auswärtigen
Amtes in ihrem Audi angetreten, als sie die Strasse von einem
abgebrochenen Ast versperrt vorfand. Sie stieg aus, um das
Hinderniss aus dem Weg zu räumen, und wurde dabei von einem
umstürzenden Baum erschlagen. Soweit die Fakten.
Nicht
nur die erwähnten Zeitungen haben Frau Tempel gewürdigt,
sondern auch das Aussenamt selbst sah sich veranlasst, mit einer
Pressemitteilung auf den Unglücksfall zu reagieren.
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Zunächst
verwundert die erhebliche mediale Beachtung für jemanden, der
weder ein öffentliches Amt bekleidet hat noch durch besondere
journalistische oder gar wissenschaftliche Arbeiten aufgefallen
wäre. Ebenfalls irritierend, dass sich die Presseorgane nicht
so recht darauf einigen konnten, ob Frau Tempel nun vorrangig
Journalistin oder "Politik-Expertin" gewesen sei - bei
den 10 von mir begutachteten Artikeln liegt "Politik-Expertin"
mit 6 Nennungen leicht vor "Journalistin" mit 4
Nennungen, wenngleich einige Redaktionen im Fliessstext dann beide
Bezeichnungen verwenden. Vielleicht war die Scheu, Frau Tempel
einfach "Journalistin" zu nennen, darin begründet,
dass die von Frau Tempel vertretene Zeitschrift "Internationale
Politik" bei einer Auflage von deutlich unter 10'000
Exemplaren ein ziemlich elitäres Produkt darstellt.
ZEIT
Online hat nicht nur eine relativ lange "Würdigung"
von Frau Tempel ins Netz gestellt, sondern auch per
Kommentarfunktion über 60 Leserkommentare verfügbar
gemacht, die - dem alten Motto "de mortuis nihil nisi bene"
*2
entsprechend
- nur Lobenswertes über die Verblichene zu berichten wissen.
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Dieses
scheinbar überwältigend positive Leserecho wird dann
erklärbar, wenn man die Erläuterung der Zeit zu diesem
"Kondolenzbuch" liest: "Die
Wahrung der Pietät ist uns bei Todesfällen wichtig,
weswegen alle Kommentare vor der Veröffentlichung geprüft
werden."
Also
auch hier also einiger redaktioneller Aufwand für eine Frau,
die - das habe ich schon im obenstehenden Text deutlich gemacht -
mit hoher Wahrscheinlichkeit vorrangig Lobbyistin
war.
Über
den Begriff "nachfrageorientierte Politikberatung", den
die DGAP *3
(die
Herausgeberin von Frau Tempels Zeitschrift) in der
Eigenbeschreibung verwendet, habe ich noch einmal nachgedacht.
Wenn "nachfrageorientiert" bedeutet, dass man dem
"Nachfrager" etwas bietet, was dessen Wünschen oder
Anforderungen bestmöglich entspricht, so müsste
"nachfrageorientierte Politikberatung" die
Beratungsergebnisse liefern, die sich der Auftraggeber im
vorhinein gewünscht hat.
Das
widerspricht etwas dem üblichen Verständnis von
Beratung.
Denn diese sollte ja gerade ergebnisoffen
sein
und Fakten, Hintergründe und Schlussfolgerungen liefern, die
der um Beratung Nachsuchende (noch) nicht hat. Aber im Falle von
DGAP ist es wohl tatsächlich so, dass dieser "Think
Tank" genau das liefert, was sich der Besteller wünscht;
das "Beratungsergebnis" also das ist, was dem
Auftraggeber vorschwebte. Allerdings geht es vermutlich auch
garnicht darum, etwa das Aussenamt selbst zu beraten. Vielmehr
nutzt in diesem Falle das Aussenamt den Think Tank dazu, seine
Sicht der Dinge, versehen mit einem "neutralen"
Anstrich, unters Volk zu bringen.
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Schon
erklärt sich das so überaus häufige Auftreten der
Frau Tempel in diversen Sendeformaten von ARD und ZDF (oder soll
man "Staatsfernsehen" sagen?). Und ihr entschiedenes
Eintreten etwa für "Verantwortung übernehmen"
(natürlich nur militärisch gemeint), Flugverbotszonen
und "Assad muss weg" lag ja so hundertprozentig auf der
damaligen Linie der Bundesregierung, dass man sie durchaus als
inoffizielle Sprecherin des Aussenamtes betrachten konnte.
Entsprechend ist der vielfach zitierte Nachruf des Aussenamtes nur
folgerichtig - ging es doch um die Würdigung einer quasi
"halbamtlichen" Mitarbeiterin.
Seit
Goebbels Zeiten, das muss man konzedieren, ist staatliche
Propaganda deutlich subtiler geworden. Propaganda bleibt sie
deswegen trotzdem, auch wenn sie von Personen wie Frau Tempel
unter dem Deckmantel von "Expertentum" *4
und
"unabhängigem" Journalismus verbreitet wird.
Gewiss
möchte der Angehörigenkreis der Verstorbenen das
Andenken *5
derselben
nicht beeinträchtigt sehen. Aber dem breiteren
Publikum,
und für dieses schreiben SPIEGEL, ZEIT und die anderen
Blätter doch wohl, wäre m.E. ein bisschen Aufklärung
über Wirken und Hintergrund von Frau Tempel zu gönnen
gewesen. Stattdessen unreflektiertes Übernehmen von
Pressemitteilungen. Vielleicht sogar in bewusster Anbiederung an
die geldmächtigen Sponsoren der DGAP?
(Oktober
2017)
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*2
"de mortuis nihil nisi bene": Über die Toten nichts
als Gutes.
*3
DGAP = "Deutsche Gesellschaft für auswärtige
Politik". Der Präsident der DGAP ist übrigens
Arendt Oetker, Chef des gleichnamigen Lebensmittel-Konzerns.
*4
Vielleicht sollten deutsche Universitäten als Novität
den einsemestrigen Studiengang "Diplom-Experte"
einführen, damit wenigstens das umständliche
begriffliche Herumgeeiere ein Ende hat und man jederzeit Zugriff
auf diplomierte "Experten" hat (Sarkasmus aus).
*5
Nur als Nebengedanke: Den rund 10'000 Vietnamesen pro Jahr, die
noch immer den im Vietnamkrieg eingesetzten Sprengmitteln
(Bomben-Blindgänger, Minen etc.) zum Opfer fallen, werden in
SPIEGEL und ZEIT keine pietätisch anpruchsvollen Nachrufe
zuteil, ebensowenig wie den vermutlich hunderten oder tausenden
irakischen Kindern, die - höchstwahrscheinlich infolge des
Einsatzes von US-Uranmunition - mit schwersten Missbildungen
geboren werden und meist vorzeitig sterben.
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