Ein Wettlauf in der Wüste - oder wie man mit Flüchtlingen zur Kriegspartei wird



1. Seit 5 Jahren behauptet die US-Regierung, dass Präsident Assad alle Berechtigung verloren habe, sein Land zu regieren ("has lost all legitimacy to rule his country"). Seit fast ebenso langer Zeit bombardiert die US-Luftwaffe Ziele in Syrien - angeblich nur "Extremisten" und "IS-Truppen". Erstaunlicherweise nimmt aber gerade der IS in der gleichen Zeit immer grössere Gebiete ein. Die Flüchtlingszahlen, zunächst nur innerhalb des Landes, steigen, bald aber leben schon Hunderttausende auch in ausländischen Lagern (vor allem Libanon, Türkei, Jordanien - allerdings z.B. in Saudi-Arabien praktisch keine …).

Im Sommer letzten Jahres bestückt Russland seinen lange bestehenden Militärstützpunkt Latakia in Syrien mit Flugzeugen und Munition, um nun selber auf seiten der syrischen Regierung in den Kampf einzugreifen. Wenn man Russia Today glauben kann, geschieht dies mit laufender Konsultation der US-Regierung und des US-Militärs vor Ort. Wie auch immer - auf US-Satellitenaufnahmen sind die Flugzeuge schon Anfang/Mitte September geortet. Ende September ist alles einsatzbereit, und der Einsatzbefehl wird gegeben.

Kurz vorher hat die deutsche Bundeskanzlerin, angeblich angesichts der bedenklichen Zustände in Ungarn und Österreich, öffentlich die Grenze für "alle" Flüchtlinge geöffnet. Begreiflicherweise empfinden das viele, die in Syrien oder in Lagern der Nachbarländer auf irgendeine positive Änderung hoffen, als Einladung, sich nun gerade nach Deutschland aufzumachen.

Unterdessen zeigt auch der russische Militäreinsatz folgen: Wie im Lehrbuch erweisen sich luftunterstütze Bodentruppen als viel erfolgreicher als ohne Luftunterstützung. Auch die "Effizienz" der Luftangriffe verbessert sich, wenn eine Bodenaufklärung gegeben ist.


Wenn die offensichtliche Zielsetzung der US-Regierung die Entmachtung Assads durch einen Abnutzungskrieg war - erklärtermassen und aus Rücksicht auf die mangelnde Kriegsbegeisterung in den USA ohne eigene Bodentruppen - dann war das Scheitern der Strategie spätestens Anfang September absehbar.



2. Nur eine kleine Möglichkeit, die Sache zu "drehen", hätte es gegeben: Wenn der syrischen Regierung schlicht die Truppen davongelaufen wären oder sie dieselben mangels Zivilbevölkerung nicht mehr im Felde hätte halten können - dann hätte auch die russische Luftunterstützung verpuffen müssen. In gewisser Weise hätte ein Wettlauf zwischen der in Mannschaftszahlen schwindenden syrischen Armee und den sich verbessernden militärischen Möglichkeiten der Assad-Regierung eingeläutet werden müssen.

Und ich glaube, genau diesem Wettlauf haben wir im letzten Halbjahr zusehen können.



3. Nun stellt sich die Frage - und hier beginnt meine Hypothese, für die es aus verständlichen Gründen sobald keine Beweise geben wird - wie man denn eine solche Massenauswanderung herbeiführt.

In dieser hypothetischen Welt ruft im Spätsommer ein hohes US-Regierungsmitglied - vielleicht der Präsident, vielleicht sein Aussenminister, vielleicht sein Verteidigungminister - seinen "Counterpart" in der deutschen Regierung an - also vielleicht die Kanzlerin oder den Aussenminister oder die Verteidigungsministerin. Und der US-Mann erklärt, dass es ganz toll wäre, wenn die deutsche Regierung durch eine spektakuläre Erklärung möglichst viele Syrer (und vielleicht auch Irakis, denn da ist man froh, wenn aus dem inner-irakischen Bruderkrieg etwas die "Luft" herauskommt) zum Aufbruch nach Deutschland ermuntert.


Die müssen ja gar nicht alle in Deutschland ankommen, vielleicht kann man sie durch unwegsames Gelände führen, ein bisschen auf See schicken, zeitweise in dem einen, dann dem anderen Land willkürlich anhalten, bis genügend aufgeben oder anderweitig "verlustig" gehen. Vielleicht kann ja dabei die Türkei helfen, die ja bisher schon den syrischen Bürgerkrieg "auf Flamme gehalten" hat - ist ja schliesslich ein NATO-Partner und ein überaus grosszügiger Abnehmer von US-Militärtechnik.


Wenn es diesen Vorschlag wirklich gegeben hat, so wird es wohl auch die Forderung nach einer Gegenleistung gegeben haben. Was das gewesen sein könnte, dazu fällt mir momentan nichts plausibles ein.




4. Aber zumindest ein paar "immaterielle"  Gegenleistungen hat es ja schon gegeben:

Das im letzten Jahr - zumindest in der deutschen Presse - heftige Geunke über einen möglichen Friedensnobelpreis für Angela M. könnte so eine Leistung sein. Und die 25-seitige Hagiografie im TIME-Magazine nach der Ernennung der Kanzlerin zur "Person of the Year" war es meiner meiner Meinung nach ganz bestimmt.


Wie so viele ambitionierte (und zynische) Pläne der US-Regierung scheint auch dieser nicht ganz aufgegangen zu sein. Die Russen waren in diesem Wettlauf wohl die erfolgreicheren.


Das plötzliche Umschwenken des State Departments unter Minister Kerry auf eine Unterstützung des allgemeinen Waffenstillstands vom Februar kann man auch als ein Eingeständnis des Scheiterns der Abnutzungsstrategie werten. Jedenfalls hat Syrien zum erstenmal seit Jahren überhaupt eine Chance, zu Frieden und Normalität zurückzufinden. Hoffen wir das Beste. Was vorläufig bleibt, sind Flüchtlinge - im Libanon, in der Türkei, Griechenland, in Mazedonien, in Slowenien, Ungarn, Österreich, Frankreich und in Deutschland; in Idomeni, Calais, München, Dingolfing, Ellwangen, in Suhl und Heidenau und und und …

 
(März 2016)


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5. Nachtrag April 2016:


Sicher sind einige Leser/innen der Ansicht, dass die Kanzlerin jene Entscheidung zur Grenzöffnung sozusagen treffen musste oder einfach aus menschlicher Anteilnahme traf - man hat ja die Bilder der Flüchtlinge in Plätzen und Bahnhöfen Ungarns und Österreichs gesehen. Dazu ist folgendes anzumerken:

Im Sommer 2015 galten die sogenannten "Dublin"-Abkommen (soweit ich weiss, gelten sie eigentlich immer noch). Danach hat das EU-Land, in welchem ein Flüchtling zuerst eintrifft, ein Asylverfahren zu eröffnen und je nach Resultat den Antragsteller entweder anzuerkennen oder auszuweisen. Gewiss waren diese Abkommen dahingehend unfair konstruiert, dass sie ganz bewusst die Verantwortung den EU-Randstaaten zuwies, damit die EU-Kernstaaten (Deutschland, Frankreich) möglichst von Flüchtlingen unbehelligt blieben.


In der "Griechenland"-Krise hatte die Kanzlerin ja mehrfach und mit "Erfolg" darauf gepocht, dass die EU-Regeln unbedingt einzuhalten sind - wieso waren diese Regeln hier plötzlich bedeutungslos ?


Das System hatte natürlich insofern versagt, als ein Teil der Flüchtlinge eben schon die "Erstankunftsländer" verlassen hatte bzw. von einigen Ländern sozusagen "durchgereicht" worden war. Sinngemäss hätten dann die nächsten handlungsfähigen EU-Länder das Asylverfahren einleiten müssen - in diesem Fall also Ungarn und Österreich.


Man mag einwenden, dass die "humanitäre" Lage halt rasches Eingreifen erforderte - aber das hätte ja durchaus anders aussehen können. Natürlich hätte man - wie etwa bei Erdbebenkatastrophen - Zelte, Ausrüstung, Feldlazarette und ähnliches nach Ungarn und Österreich schicken können. Und auch bei einer evt. gewünschten personellen Aufstockung der jeweiligen Asylbehörden hätte man sicher helfen können.


Aber genau das wurde nicht gemacht, nicht einmal versucht. Stattdessen eine "General-Einladung", die naturgemäss gerade den noch in Syrien und Irak ausharrenden Menschen die Botschaft übermittelte:

Jetzt los ! Das war ungefähr so geschickt, wie in einem vollbesetzten Saal "Feuer - rette sich, wer kann!" zu brüllen.


Ging es wirklich um die notleidenden Menschen ? Wollte man vielleicht vermeiden, dass so ein böser Mann wie Viktor Orban Asylentscheidungen trifft? Nun - seit dem 8. März wissen wir es besser: Nun darf der türkische Präsident Erdogan entscheiden, wer nach Europa darf und wer nicht. Ein schönes adriatisches Tauschgeschäft kommt in Gang: Eine Schiffsladung "gemischter" Flüchtlinge aus Griechenland gegen ein paar Flugzeugladungen von der Türkei hübsch vorsortierter Flüchtlinge mit garantiertem Herkunftszertifikat "Syrien". Und durch Südosteuropa zieht sich nun ein anmutiges Netzwerk hochmoderner Zäune und Absperranlagen, das garantiert viel schöner ist als die ehemaligen Ostblock-Grenzabsperrungen (Ironie aus).


All das lässt mich glauben, dass meine obengenannte Hypothese gar nicht so sehr daneben liegt.




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