Heydrichs Traum


Wer Reinhard Heydrich in Lexikon oder Wikipedia nachschlägt, wird unweigerlich auf die Stichworte "Leiter der Wannsee-Konferenz" und "Organisator des Holocausts" treffen. Er selber hätte vermutlich seine jahrelang und mit grosser Energie betriebene Zusammenfassung von Kriminal- und Sicherheitspolizei mit den "Sicherheitsorganen" der NS-Partei zu einem grossen "Staatsschutz-Unternehmen" mit dem sogenannten Reichssicherheitshauptamt an der Spitze als seine wichtigste Tätigkeit bezeichnet.


Und, rein funktional betrachtet, sicher mit Recht: Denn spätestens zum Ende der "Friedensjahre" des dritten Reichs war ein mit tödlicher Effizienz arbeitendes System eingerichtet, welches "Reichsfeinde" aller Art schnell und sicher identifizierte und "ausschaltete". Trotzdem kann man sich vorstellen, dass auch Heydrich angesichts vielerlei bürokratischer Hindernisse und der Mühsal der zur Verfügung stehenden Methoden (denn man arbeitete ja noch mit Karteikarten aus Pappe, die ausgefüllt, ggf. kopiert und weitergeleitet werden mussten; mit Photos, auf deren Entwicklung gewartet werden musste; mit Fingerabdrücken auf Papierkarten etc.pp.) manchmal von utopischen Einrichtungen träumte, die ihm und seinen Leuten die Arbeit erleichtern könnten.


Was, wenn man alle Bürger verpflichtend mit einem Pass neuer Art ausstatten würde, der neben den offenbaren Daten (Name, Geburtsdatum usf.) noch Raum für eine Art Geheimzeichen hätte - ein Geheimzeichen, welches nur von den Sicherheitsbehörden lesbar wäre ? Noch besser, wenn man dieses Geheimzeichen mit einer Art "Radio-Telegrafie" nicht nur aus einiger Entfernung lesen, sondern auch "beschreiben" könnte ?


Dann bräuchte man nur mit unauffälligen Fahrzeugen zu vermuteten Treffpunkten von Reichsfeinden fahren und, wenn die "Feinde" den Versammlungsort verlassen, alle Pässe mit einem passenden Zeichen "telegrafie-stempeln" - vielleicht mit einem "K" für Kommunisten oder einem "S" für Sozialdemokraten. Und man müsste nicht mehr sofort alle Teilnehmer verhaften, sondern könnte die so "markierten" Reichsfeinde noch eine Zeitlang beobachten und damit deren Kontakte "ausermitteln".


Bei den Juden wäre es sogar noch einfacher, denn die trafen sich ja meist ohnehin wöchentlich in den Synagogen. Einfach ein paar getarnte Fahrzeuge hinschicken, und nach ein paar Wochen wären alle Judenpässe mit einem "J" gekennzeichnet.


Nun - Herr Heydrich konnte von solch fortgeschrittener Technologie halt nur träumen. Wenngleich die Idee mit der "J"-Kennzeichnung der Pässe von Juden tatsächlich noch umgesetzt wurde - freilich in der simplen Form eines roten "J" , welches auf die Pässe aufgestempelt wurde. In diesem Fall war die offensichtliche Stigmatisierung durch das Sonderkennzeichen ja auch gewünscht.


Aber - was hat das alles mit der deutschen Wirklichkeit im beginnenden 21. Jahrhundert zu tun ? Das Überraschende ist, dass eine Abfolge von demokratisch gewählten Regierungen nun ausgerechnet Heydrichs Traum, einen mit "Geheimfeldern" versehenen und aus der Ferne les- und beschreibbaren Ausweis, eingeführt hat.


(Das Ganze nennt sich "elektronisch lesbarer Personalausweis" oder "elektronisch lesbarer Reisepass" und dürfte mittlerweile in den Taschen der meisten Bundesbürger stecken. Diese sind mit der sogenannten RFID-Technik ausgestattet. Diese erlaubt, mit dem in den Ausweis eingeschweissten Chip auf Funkbasis Daten auszutauschen. Wobei die technische Eleganz darin besteht, dass der Ausweis-Chip keine eigenen Energiequelle besitzen muss, sondern mit dem in die RFID-Antenne induzierten Strom betrieben wird.)


Dass nun ausgerechnet freie, demokratisch gewählte Regierungen Heydrichs Traum umsetzen, erscheint unglaublich. Kann das sein ?


Viele werden sagen, dass das mit der Fern-Lesbarkeit ja gar nicht stimme. In den Ämtern werden die Ausweise ja z.B. bei der Abgabe in spezielle Lesegeräte eingelegt, und das sieht ja nun durchaus nach "NFC" aus, also "near field communication" (um eine weitere geläufige Bezeichnung für diese Technik zu verwenden), ja eher noch nach "super-near-field-communication". Auch die für den Privatgebrauch vertriebenen Lesegeräte erfordern ein Einlegen des Ausweises - das sieht alles recht unverdächtig aus.


Allerdings geht es bei Lesen und Schreiben der RFID-Chips immer nur um die effektive Feldstärke vor Ort. Oder anders gesagt: Wenn der Ausweis nicht aus ein paar Millimetern Entfernung ausgelesen und beschrieben werden soll, sondern aus mehreren Zentimetern oder Metern, so muss nur die Sende- und Empfangstechnik angepasst werden: Der Sender muss eine höhere Leistung erhalten, und die Empfangsantennen müssen ggf. auch schwächere Signale empfangen können. Das ist gut bei den allereinfachsten RFID-Chips zu sehen, die in vielen Warenhäusern als Diebstahlsicherung dienen. Die an den Ausgängen platzierten Antennen  können auch aus 20-50 cm Entfernung, auch durch Taschen hindurch, die Anwesenheit des RFID-Tags anzeigen. Und was mit dieser Billigst-Technik über 50 cm hinweg funktioniert, funktioniert mit etwas mehr Aufwand auch über mehrere Meter hinweg und aus Fahrzeugen heraus.


Nun ist den offiziellen Angaben zu entnehmen, dass der RFID-Chip neben den auch visuell wahrnehmbaren (aufgedruckten) Daten wie Name, Geburtsdatum, Ausweisnummer noch "biometrische" Daten enthalten soll - bislang das Ausweisfoto und Fingerabdrücke des Ausweisinhabers.  Von irgendwelchen Sonderkennzeichen ist keine Rede. Ist also Entwarnung angesagt ? Leider nein. Denn natürlich sind unbenutzte Speicherfelder vorhanden - sie müssen schon deswegen vorhanden sein, weil nicht alle Bilddateien gleich gross sein werden. Und natürlich können auch die Bilddateien selbst als Datenträger dienen - ein zusätzlich codierter Kennbuchstabe würde sich höchstens als Pixelfehler bemerkbar machen (vgl. z.B. die Steganos-Technik).


Ist diese Technik vielleicht einfach unausweichlich, weil heutzutage nur so der Zweck des Ausweises erfüllt werden kann ? Was aber ist der Zweck eines Ausweises ? Der Ausweis soll …


  • die Identität des Inhabers bestätigen

  • den Inhaber als Bürger des jeweiligen Staates ausweisen


Dazu muss der Ausweis …


  • eine Möglichkeit bieten, die Person anhand vom im Ausweis dargelegten Merkmalen (Bild, Grössenangabe etc.) zu identifizieren

  • erkennbar machen, dass er von authorisierter staatlicher Stelle erstellt wurde

Letzteres bedingt auch einen gewissen Grad von "Fälschungssicherheit" oder besser Fälschungserschwernis, den das Dokument bieten muss. Und aus praktischen Gründen wäre eine Art von "Maschinenlesbarkeit" oder neudeutsch "IT-Kompatibilität" wünschenswert.


Damit ist klar, dass die klassischen "Zutaten" eines Ausweises, also Bild, Angaben zu Grösse und "besonderen Merkmalen" sowie Angaben zur ausstellenden Behörde vollkommen ihre Berechtigung haben. Auch das Hinzufügen eines Fingerabdrucks wäre m.E. vollkommen unkritisch - der Fingerabdruck ist uns ja, solange wir Finger haben, ohnehin jederzeit abnehmbar.


Bleibt die "Maschinenlesbarkeit" oder "IT-Kompatibilität": Interessanterweise waren ja schon die Ausweise der 1980er-Jahre maschinenlesbar, nämlich über eine spezielle Schrift (OCR-A oder OCR-B). Die Eleganz bestand darin, dass der so EDV-lesbare Inhalt auch für den nur mit dem natürlichen "Human Interface Device" namens Auge ausgestatteten Inhaber lesbar und kontrollierbar war. Und genau hier ist der "elektronisch lesbare Personalausweis" und der gleich ausgestattete Reisepass eben brandgefährlich:


Es können für den Inhaber nicht sichtbare Merkmale oder Kennzeichen abgelegt sein, die ohne technische Ausstattung eben auch nicht kontrolliert werden können. Und selbst bei Einsatz eines der für den Privatgebrauch zugelassenen Lesegeräte ist für 99% der Bevölkerung keine Möglichkeit gegeben, dies zu kontrollieren.

Resumee: Hier hat unser Staat ohne Not ganze Vorarbeit für ein in der Zukunft mögliches autoritäres oder totalitäres Regime geleistet.


Heydrich würde sich freuen ...



(Im Dezember 2015)



www.truthorconsequences.de